Nimmt Volkswagen noch Rücksicht auf das „Volk“?

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  • In der ZEIT meinte Mathias Breitinger vor kurzem, dass Volkswagen in einer tiefen Krise stecken würde.
    So sei Volkswagen am Weg zum größten Autohersteller der Welt und nur kurz davor Toyota zu überholen, aber Konzernchef Martin Winterkorn sprach erst unlängst in einer Rede vor Konzernmitarbeitern selbstkritisch von hausgemachten internen Problemen. Er ortete großem Nachholbedarf u.a. im Bereich der Wirtschaftlichkeit und Produktivität und verlangte, dass die Kernmarke VW bis 2018 auf eine Rendite von sechs Prozent gebracht werden müsse. Dazu sollen fünf Milliarden Euro pro Jahr eingespart werden.
    Aber immerhin verkaufte VW im ersten Halbjahr 2014 mehr als fünf Millionen Fahrzeuge – also nur 30.000 weniger als der Weltmarktführer Toyota und operativ machte der Konzern einen Umsatz von 197 Mrd. Euro sowie einen Gewinn von mehr als elf Mrd. Euro.
    Aber die Rendite von nur etwa zwei Prozent ist Winterkorn (und den Anlegern) wohl zu wenig. Seltsam, wenn man betrachtet, wieviel Rendite das durchschnittliche Sparkonto eines Europäers derzeit bringt. Schuld sollen dabei vor allem die hohen Kosten bei der Produktion sein. Daher soll Volkswagen ab 2017 pro Jahr fünf Mrd. Euro einsparen. Zudem scheint es nach wie vor Probleme bei der Umsetzung des Konzepts des modularen Querbaukastens (MBQ) zu geben. Obwohl den alten Hasen und v.a. den OEM-Stylern unter uns bekannt sein sollte, dass es sich im Grunde um kein neues Konzept handelte. So waren bereits bei den ersten Golf, Jetta, Scirocco, Passat und Santana Modellen, aber auch zwischen Audi und VW, sowie sogar bei Porsche zahlreiche Teile unterschiedlicher Modelle identisch oder zumindest austauschbar.
    Noch heute profitieren selten gewordene Modelle wie der VW Scirocco von der gemeinsamen Plattform mit den Golf Modellen, so dass zahlreiche Ersatzteile für Armaturen, Innenausstattung, Fahrwerk, Unterboden, Motor und Getriebe aus anderen Modellen verwendet werden können und daher noch heute als Ersatzteile bei VW verfügbar sind.

    Die hochbezahlten Manager des Konzerns haben diese Möglichkeit, effektiv Kosten zu sparen offenbar erst vor kurzem wiederentdeckt.
    Die großartige „neue“ Erkenntnis der Manager war, dass verschiedenen Fahrzeugtypen, um Kosten zu sparen mit identischen Bauteilen ausgerüstet werden könnten. Probleme bei der Umstellung, die sich in einem Mangel der Verfügbarkeit gewisser Bauteile und somit durch Produktionsverzögerungen auswirkten, wurden intern dem ehemaligen Produktionschef Michael Macht angelastet, der dafür die Konsequenzen tragen musste.
    Laut dem Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer soll das Problem vor allem darin liegen, dass Volkswagen zu viele Teile – wie Getriebe, Achsen, Sitze usw. selber produziert, während andere Hersteller diese Teile von Dritten fertigen und liefern lassen.
    Dadurch, dass andere Hersteller und Zulieferer ihre Teile verstärkt im Ausland produzieren lassen, erreichen diese naturgemäß niedrigere Kosten, denn kein Autobauer hat so eine hohe Fertigungstiefe, wie Volkswagen.
    Winterkorn fordert daher, dass sich Volkswagen auf Kernkompetenzen konzentrieren müsse und sich von althergebrachten Fertigungsmethoden, v.a. wenn sie durch Zulieferer profitabler gefertigt werden könnten, verabschieden muss.
    Ob profitabler, dabei auch bessere Qualität bedeutet bleibt ungeklärt.
    Es wird auch beklagt, dass Toyota die Produktion mit einem Drittel weniger Mitarbeitern bewerkstelligen würde.
    Die Konsequenz ist logisch: Der Umsatz pro Mitarbeiter ist deutlich geringer. Die Folgerung aus dieser Aussage erscheint mir klar; Abbau von Mitarbeitern in Deutschland und Verkauf oder Schließung von Werken in Hochpreisländern.

    Dass Sparen das neue Thema von Winterkorn sein würde, hat sich bereits abgezeichnet.
    So stellte er unlängst fest, dass die Produktivität in den vergangenen Jahren signifikant langsamer gewachsen als die Arbeitskosten. "Seien wir ehrlich“, meinte Winterkorn, „wir haben in der Produktivität gegenüber den Kernwettbewerbern unverändert erheblichen Nachholbedarf. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, das zu ändern." Er möchte ab 2018 eine Rendite von sechs Prozent erreichen.
    Aber ob die Volkswagen-Käufer – die ja generell bereit zu sein scheinen einen im allgemeinen Vergleich höheren Preis zu zahlen – damit einverstanden sein werden, wenn Standorte in Deutschland und Europa geschlossen und ausgelagert werden? Oder droht gar ein Käuferprotest bei der Kernkundschaft, die dann gleichwertige Fahrzeuge günstiger bei ausländischen Produzenten kaufen könnten?
    Zumindest muss den Managern klar sein, dass die Fahrzeuge dann ebenfalls günstiger werden müssten, um konkurrenzfähig zu bleiben, was sich wiederum auf die Gewinne auswirken würde. Jedenfalls möchte Winterkorn im Herbst 2014 das Strategieprogramm "Future Tracks" präsentieren, das seinen Sparvorgaben folgen soll.

    Es ist daher abzusehen, dass die Konzern-Modellpalette verkleinert werden muss und auch nicht mehr jedes heute produzierte Modell einen Nachfolger haben wird.
    Derzeit produziert der Volkswagen-Konzern noch viel in Europa und v.a. im Hochpreisland Deutschland. So beschäftigt Volkswagen derzeit etwa 575.000 Mitarbeiter, die stolz auf Ihr Produkt sein können, obwohl bereits der Sparkurs unter José López nach meiner Meinung zu gravierenden Qualitätseinbußen geführt hat.
    Als Beispiel möchte ich die schlechte Qualität der Fahrzeugelektrik und mangelhafte Fensterheber etwa bei den Sharan sowie Golf IV Modellen (und Plattformgleichen) nennen. Volkswagen weht durch die anhaltende Wirtschaftskrise in Europa und den USA, aber auch den unsicheren Märkten in den Schwellenländern zweifellos ein kalter Wind um die Nase.

    Der Umsatz lässt sich jedoch auch nach verzweifelten Versuchen der Regierungen wie Abwrackprämien wohl kaum so schnell erneut steigern.
    Wenn das „Volk“ in Volkswagen verloren geht ist nach meiner Meinung vielmehr mit einer höheren Produkt-Unzufriedenheit der Kernkundschaft sowie einem Verlust des Markenzeichens „Made in Germany“ zu rechnen, was sich sogar in einem Umsatzrückgang auswirken könnte.

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